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dead cross (mike patton)

dead cross

Wieder mal eine neue Band mit Mike Patton. Dabei ist der Faith-No-More-Kopf eigentlich nur ein Nachzügler im Kollaborationsprojekt Dead Cross. Slayer-Drummer Dave Lombardo tat sich hierfür gemeinsam mit Justin Pearson und Michael Crain von The Locust und Retox zusammen, deren Bandkollege Gabe Serbian ursprünglich fürs Mikrofon-Malträtieren zuständig sein sollte. Das Debütalbum wurde bereits fertig aufgenommen, doch scheinbar waren die Beteiligten mit dem Ergebnis nicht wirklich zufrieden. Serbian schied deshalb aus dem Projekt aus, und eben kein geringerer als Patton steuerte neue Lyrics und Vocals zur bereits aufgenommenen Musik bei. Diese wird von Lombardo selbst mehr dem Punk als dem Metal zugeordnet, ist aber durchaus mit Slayers Hochtempo-Geknüppel vergleichbar, garniert mit den halsbrecherischen Wendungen, die The Locust auf ihren Platten gerne fahren und "Songs" nennen.

Zehn Songs in 27 Minuten lässt das selbstbetitelte Album gerade mal durchlaufen. Wir erinnern uns allerdings: Vor gut drei Jahrzehnten brauchte ein gewisses "Reign in blood" auch nicht viel länger, um seinen Standpunkt klarzumachen. Nur dass dieses Mal ein anderer Irrer die Rolle des Frontrambos übernimmt. Es ist fast schon überraschend, wie nah "Dead Cross" an der Beschreibung "Slayer mit Patton als Vokalist" über weite Strecken bleibt, wenn man bedenkt, wie sehr alle Beteiligten unerwarteten Stilbrüchen zuneigt sind. Ein Traum für Liebhaber harter und verquerer Musik ist das Projekt dennoch. Was Songtitel wie "The future has been cancelled" und "Church of the motherfuckers" versprechen, halten Textzeilen wie "I took a pee and it came out red / I took a dump and it came out dead" samt Blastbeat-Attacken und schneidenden Riffs.

Die Details surren im Verlauf der Platte kreuz und quer durch die Ohren, sodass es ein wenig Gewöhnungszeit braucht, um sich einen Reim auf diesen Trip zu machen. Mag sein, dass der Opener "Seizure and desist" oder "Obedience school" irgendwo mittendrin tatsächlich etwas Ähnliches wie eine Hook auffahren, aber dann nur, um bei nächster Gelegenheit daran den sauberen Genickbruch zu üben. Andere Stücke wie "Grave slave" oder das herrliche "Shillelagh" – über Pattons Erfahrungen mit aggressiven irischen Pub-Besuchern – gehen gleich all in mit aggressivem Lärm und schrillen Vocals. Überhaupt Patton: Der verrenkt sich mal wieder zwischen Gebrüll, Gekrächze und brummigen Growls die Stimmbänder, dass es eine Freude ist. Und wirft sich in schwarze Schale, wenn schon mal der Bauhaus-Klassiker "Bela Lugosi's dead" auf links gedreht wird, indem Dead Cross deren präzise Postpunk-Ästhetik durch aggressive, verschmierte Zähigkeit ersetzen.

Erst in den letzten beiden Tracks wird die Drei-Minuten-Grenze überhaupt einmal von der rechten Seite betrachtet. "Gag reflex" weist in der Tat die größte dynamische Spannweite aller Songs auf, steigert sich vom Sludge-Groove in Highspeed-Rage und fällt schließlich auf nicht mehr als ein Flüstern zurück. Man möchte es im Kontext beinahe schon Epos nennen, unter all den schlagfertigen Ohrfeigen drumherum. "Dead Cross" ist so morbid, humorig und an Ekelhaftigem erfreut, wie man es sich anhand der Personenkonstellation erhoffen konnte. Lombardo deutete indes schon an, dass es nicht bei diesem hier versammelten Material bleiben solle. Mit irgendwas müsse man ja die 45 Minuten Setlist-Zeit füllen. Als ob einen nicht schon diese knappe halbe Stunde fertig machen würde.

dead cross – Vinyl-Ep

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II

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